Lesung und Gespräch über Obdachlosigkeit

Das erste Aha-Erlebnis hatten die Fünftklässler der Sankt-Ansgar-Schule gleich am Anfang der Lesung mit Kinderbuchautorin Kirsten Boie aus ihrem Werk „Ein mittelschönes Leben“ – als sie der ehemalige Obdachlose Jan perfekt in sieben Fremdsprachen begrüßte.

Und es waren genau diese überraschenden Erkenntnisse, die den besonderen Wert der vormittäglichen Veranstaltung im Haus der Bahnhofsmission für die 75 Jungen und Mädchen ausmachen sollte. Ruhig und konzentriert folgten die Ansgar-Schüler nicht nur den Schilderungen von Kirsten Boie aus ihrem berührenden Werk über den Weg eines Menschen in die Obdachlosigkeit, sondern vor allem den lebensnahen, authentischen Erzählungen des zweifachen Vaters und ehemaligen Schauspielers sowie Obdachlosen Jan. Ohne Umschweife nahm er die Kinder mit in seine damalige Welt, erklärte ihnen Nöte, Ängste und Enttäuschungen, aber verdeutlichte auch Hoffnungen, Hilfsangebote und genutzte Chancen, um sich selbst einen neuen Lebensweg eröffnen zu können. „Man sollte sich nicht immer auf andere, sondern auf sich selbst verlassen, um da wieder rauszukommen“, erklärte Jan, um anschließend von vergeblichen Versuchen zu berichten, wieder Fuß zu fassen in einem neuen Job. Als Taxifahrer hatte es in München nicht geklappt. Erst der Zeitungsverkauf des Hamburger Stadtmagazins Hintz & Kunzt habe ihm wichtige Hilfestellung und auch notwendige Einnahmen beschert. Tränen kommen ihm, als er von seiner Tochter berichtet. Als er der damaligen Studentin erstmals von seiner Situation berichtete, sei sie spontan zu ihm gekommen. „Fünf Tage und fünf Nächte hat sie mit mir auf der Straße gelebt. Das war Kraft durch Liebe für mich“, erzählte Jan – und konnte dabei nur schwer Tränen der Rührung zurückhalten. Berührt schienen auch die Fünftklässler, die wie gebannt an den Lippen des ehemaligen Obdachlosen hingen. „Ihr seid das neue Leben für mich“, dankte Jan den jungen Zuhörern. Hoffnungsvoll, ihre Sicht auf bedürftige Menschen auf der Straße verändert zu haben.